Stelle dir vor, du wachst auf und kannst plötzlich nicht mehr sprechen. Deinen Alltag musst du aber trotzdem bewältigen, das heißt: arbeiten gehen, an Meetings teilnehmen, vielleicht hast du regelmäßig Kundenkontakt, nach der Arbeit einkaufen und zum Schluss das gemeinsame Abendessen mit der Familie oder ein Telefonat mit deiner besten Freundin darüber, wie euer Tag war. Und das alles ohne zu sprechen? Unvorstellbar, oder?
Aber genau das ist mir schon passiert. Durch eine Kehlkopfentzündung konnte ich vier ganze Tage lang nicht mehr reden. Die Entzündung war sehr schmerzhaft und an arbeiten gehen war alleine schon deshalb nicht zu denken. Beim Arzt konnte ich jedoch nicht einmal erklären, was los ist und auch in der Apotheke konnte ich nicht auf die Fragen antworten. Vier Tage lang konnte ich mit niemandem sprechen, auch nicht bei einer Freundin einfach mal jammern, wie schlecht es mir geht. Dass ich mich niemandem mitteilen konnte, ausgerechnet dann, wenn ich mich hilflos fühlte und litt, war viel schmerzhafter für mich, als die Entzündung an sich. Aber warum war das so schlimm?
Ich erkannte durch Selbstreflexion meine Glaubenssätze, die mit meiner Fähigkeit, zu kommunizieren, einhergehen:
- Durch Kommunikation kann ich meine Situation verändern.
- Ohne meine Ausdrucksfähigkeit bin ich hilflos.
- Andere machen mit mir, was sie wollen, wenn ich nichts sagen kann.
- Niemand versteht mich, wenn ich „sprachlos“ bin.
- Ich bin alleine, wenn ich kein Gespräch führen kann.
Wir sollten dankbar dafür sein, dass wir mit einem Sprechorgan ausgestattet sind und wir sollten es auch benutzen. Kommunikation ist ein kulturell geprägtes, hochkomplexes Phänomen und innerhalb von unterschiedlichen Sprechergemeinschaften auch verschieden. Nur, wenn wir uns unserer eigenen Ausdrucksfähigkeit offen bedienen, können wir unseren Mitmenschen mitteilen, wie es uns geht und was wir brauchen, um zu überleben. Wenn wir offen sagen, was wir benötigen und welchen Standpunkt wir zu einem Thema vertreten, können wir mit unserer Umwelt interagieren und unsere Probleme bewältigen. Zum Beispiel erhalten wir das richtige Medikament, wenn wir unserer Ärztin klar schildern können, seit wann es wo genau wie stark weh tut. Und wenn wir uns alleine fühlen, können uns unsere Freunde nur dann verstehen und trösten, wenn wir uns trauen, ihnen zu erzählen, wie es uns geht und welche Sorgen uns plagen. Genauso wichtig ist es auch, Nein zu sagen, wenn wir etwas nicht wollen. Bleiben wir hingegen still, entscheiden andere für uns und überschreiten womöglich unsere Grenzen.
Wer sich selbst ausdrücken kann, und das auf seine eigene Art, der hat die Möglichkeit geschaffen, die aktuelle Situation aktiv zu gestalten und damit sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Wenn du dich also das nächste Mal in einer Situation wiederfindest, in der du dich nicht traust, etwas (offen) zu sagen, dann erinnere dich daran, dass der Mut, dich selbst auszudrücken, dir die Macht verleiht, dein Leben so zu gestalten, wie du es haben willst.
Wann hast du schon einmal deine eigene Sprachlosigkeit erfahren? Was hast du dadurch über dich selbst herausgefunden? Teile deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren und hilf damit anderen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.
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